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LESEWEISUNG

„Der wahre Zweck eines Buches ist es, den Geist hinterrücks zum Denken zu verleiten“

Hintergrund

Der zentrale Gedanke des Jugendgerichtsgesetzes ist die Erziehung. Dafür gibt es eine Vielzahl von Sanktionen – moderne, wie z.B. Betreuungsweisung, Täter-Opfer-Ausgleich, Anti-Gewalt-Training und klassische wie z.B. Sozialstunden, Geldauflage, Jugendarrest, Jugendstrafe. Dabei ist der Bedarf an unterstützenden Sanktionen hoch, das Angebot niedrig. In diese Lücke zielt die Leseweisung. Die Leseweisung ist eine erzieherische Maßnahme im Rahmen des Jugendstrafverfahrens. Durch eine Leseweisung sollen sich die Jugendlichen über ein geeignetes Buch, das eine Beziehung zur Tat und/oder zur familiären Situation hat, mit sich selbst, ihrer Straftat und Aspekten wie z.B. Schuld, Verantwortung oder Konfliktsituationen auseinandersetzen. Gute Jugendbücher haben vielfach Themen als Gegenstand, die der Lebenswelt der Jugendlichen entsprechen und somit Anknüpfungspunkte an eigene Lebenssituationen und zum eigenen Verhalten liefern. Zudem sind sie idealerweise in der Sprache der Jugendlichen geschrieben. Das Lesen und Bearbeiten der Literatur soll somit einen Anreiz bieten, sich anhand der Literatur mit der eigenen Tat, den eigenen Problemen sowie den eigenen Erfahrungen und Einstellungen intensiver auseinanderzusetzen. Bücher, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben, sind:

  • Blackmann, Himmel und Hölle (Ausgrenzung, Diskriminierung);

  • Teller, Nichts, was im Leben wichtig ist (Sinnsuche);

  • Giullou, Evil das Böse (Gewalt);

  • Meyer, Als wir träumten (Drogen, Gewalt);

  • Steinhöfel, Mitte der Welt (Sinnsuche);

  • Günter, Die Ameisensiedlung (Diskriminierung, Drogen);

  • Doctorow, Little Brother (Demokratie, Faschismus);

  • Poznanski, Erebos (Gruppendruck, Computerspiele).

 

Ablauf einer Leseweisung:

  •  Die Jugendgerichtshilfe (JGH) schlägt in einem Verfahren gegen einen jungen Menschen die Leseweisung als erzieherische Maßnahme vor, das Gericht und/oder Staatsanwaltschaft folgt dieser Empfehlung und spricht im Urteil die Leseweisung aus. Die Resohilfe wird von der JGH per Fax informiert.

  • Es kommt zu einem Erstgespräch zwischen dem/der Jugendlichen und dem Mitarbeiter der Resohilfe. Das erste Gespräch dient dem Kennenlernen und dem Finden eines passenden Buches.

  • Bei mehreren Treffen wird nicht nur über das Buch gesprochen, sondern auch die Lebenswelt der Jugendlichen thematisiert. Es werden Fragen zum Buch besprochen und durch die Gespräche der Transfer des Gelesenen in die Welt der Jugendlichen gefördert.

  • Zum Ende wird gemeinsam das Thema einer Abschlussarbeit gefunden, die mit dem Buch und dem Jugendlichen zu tun hat. Mit der Vorstellung der Abschlussarbeit und einem Abschlussgespräch ist die Leseweisung beendet. Die Abschlussarbeit ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema des Buches in schriftlicher Form, z.B. durch einen fiktiven Brief an eine Person aus dem Buch oder auch eine andere Form der kreativen Auseinandersetzung.

  • Die JGH wird über das Ende der Leseweisung informiert, die JGH informiert das über den erfolgreichen Abschluss das Gericht. Bei Schwierigkeiten während der Durchführung der Leseweisung, z.B. versäumten Terminen, wird die JGH informiert.

 

Pro Jahr durchlaufen ca. 30 Jugendliche – Jungen und Mädchen – eine Leseweisung bei der Resohilfe.

 

Beispiele aus Abschlussarbeiten:

Ein Junge (21 Jahre alt) hat das Buch „Himmel und Hölle“ von Malorie Blackman gelesen und schreibt in einem fiktivem Brief an Callum:

Deine Geschichte hat mich sehr angesprochen. Zuerst einmal, dass die Familie deiner Freundin dich nicht akzeptiert hat und duldet. Ich war in einer langen Beziehung, wo ich so was erlebt habe. Du hast nicht aufgegeben …

Ein Mädchen (17) schreibt :

M (17)

Ein Mädchen (16):

M (16)

Filmbeitrag Leseweisung 

Was liest … Lübeck? (ab Min. 4)